Konzept

für neues Leben in der Kirche St. Karl Borromäus, Köln-Sülz

St. Karl – Am Anfang stand ein sterbender Kirchort

St. Karl Borromäus ist die kleinste Kirche des Seelsorgebereichs Sülz und Klettenberg. Hier wurden jahrzehnte­lang wöchent­lich nur zwei Messen gefeiert, außerdem einige besondere Gottes­dienste an verschie­denen Feiertagen sowie Schul- und Kinder­gar­ten­gottesdienste.
Im November 2020 richtete die katholische Gemeinde in Kooperation mit der Stiftung des 1. FC Köln am Kirchort die „FC-Lebensmittel­ausgabe an St. Karl“ ein. Gestartet ist die Aus­gabe mit gut fünf Engagierten und weni­ger als 50 Gästen aus Sülz, Klettenberg und Linden­thal. Mittlerweile werden an St. Karl jede Wo­che weit über 800 Menschen von rund 150 Ehren­amt­li­chen durch stärkende Angebote für „Leib und Seele“ unterstützt … und jede Woche werden es mehr.

Seit Mitte 2022 wurde das Angebot um eine Ausgabe von gebrauch­ter Kleidung erweitert. Der Veedels­schrank (die Kleider­kam­mer von St. Bruno) zog Ende 2023 in an St. Karl an­gren­zende Räume. „Sülz und Pfef­fer“, eine Gruppe von etwa zehn Enga­gierten, kocht jede Woche im Caritas-Zentrum unter der Kirche Essen für rund 150 Gäste. Die Caritas unterstützt Hilfe­suchende mit Beratung. Als jüngste Einrichtung kam im Sommer 2024 der „Krimskrams-Karl“ mit Waren aus Haushalts­auf­lösungen und Spielsachen dazu.

Für den Hl. Laurentius – hier im Meistermann-Fenster in St. Karl – sind die Armen der „Schatz der Kirche“

Ziel der Nutzungserweiterung
Es ist bekannt, dass die physischen, existenz­iellen Bedürfnisse befriedigt sein müssen, da­mit sich Menschen mental öffnen und mit geistig-spirituellen Inhalten beschäftigen kön­nen. Dafür müssen wir den Menschen helfen, aus dem Überlebensmodus in einen Erlebens­modus zu kommen! Im Sinne von Teresa von Avila: „Tu deinem Leib Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“.

Die neue Nutzung der Kirche soll den ganzen Men­schen mit allen Sinnen ansprechen. Das spie­gelt sich in allen Facetten des Ortes wider: in Angeboten, Raumgestaltung und ganz be­sonders in der wohlwollenden Zugewandtheit der Menschen, die sich dort enga­gieren. So ist zum Beispiel die kostenlose Ausgabe von Waren, die andere wegwerfen würden, nur ein Vehikel, um den Bedürftigen wirklich wichtige Güter, nämlich Wertschätzung und Wür­de zu schenken.

St. Karl soll ein Ort des Wohl­gefühls und der Geborgenheit sein. Menschen, die die Kirche betreten, sollen sich direkt wie zuhause fühlen. Dabei behält die ursprünglich als rein liturgi­scher Ort geplante Kirche diesen Charakter nicht nur bei, sondern das spirituelle Angebot wurde ausweitet. Das neue, breiter und offener aufgestellte und zukunftsfähige Angebot richtet sich an möglichst viele Menschen, und das unabhängig von deren religiöser Über­zeugung.

Durch die wirtschaftlichen Unterstützungs­an­ge­bote hat die Kirche bereits eine starke cari­ta­tive Prägung bei am gleichen Ort gefeierter Liturgie. In St. Karl fassen wir den Begriff „Gottes­dienst“ jedoch weiter: Im Sinne des Jesus-Wortes: „Was ihr für eines meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40), ist für uns jedes stärkende Angebot echter Gottesdienst … mit der Real­prä­senz Christi im Hilfesuchenden!
Es liegt im Sinne einer am Menschen orien­tier­ten, religiösen Haltung der Nächstenliebe auf der Hand, Caritas und Liturgie miteinander zu verknüpfen: „Leben in St. Karl – hält Leib und Seele zusammen!“

Caritative Erweiterung – Leib
Die große Nachfrage nach Warenausgaben und Bera­tung zeigt, dass es einen großen Bedarf an existenzsichernden Hilfen auch in unseren scheinbar wohlhabenden Stadtteilen gibt.

Die frühere Werktagskapelle wurde zur Be­geg­nungskapelle. An verschiedenen Statio­nen in der Kirche können sich die Gäste mit Abschieden und Brüchen auseinandersetzen, Kontakte wieder aufleben lassen und an ge­liebte Menschen denken, Zuspruch erhalten oder stärkende Workshops besuchen. Die wichtigsten heiligen Schriften der Welt­reli­gionen liegen aus und in einer geschützten Sitzecke gibt es Literatur, Texte, Impulse, Gebete und Anregungen.

Spirituelle Erweiterung – Seele
St. Karl bietet Raum für weitere spirituelle An­gebote, die einen größeren Kreis von Menschen ansprechen: An jedem letzten Sonntag treffen sich junge Menschen zum Taizé-Gebet, und einmal pro Monat finden Glau­bensge­sprä­che in der Kirche statt. Auch Tau­fen und Trau­un­gen wurden nach über 20 Jah­ren Pause wie­der in St. Karl gefeiert. Feiern, die mit kleinen Gruppen in größeren Kirchen verloren wirken, sind in dem flexibel gestalt­baren Raum fa­mi­liärer durchführbar. Experi­mentelle For­mate sind leichter möglich, auch unge­wöhn­li­che Formate wie heilsamer Tanz, Mitsingange­bo­te, Bodypercussion, Yoga, Me­di­tation, Acht­samkeits­übun­gen für be­wusste­res Denken, Fühlen und Wahr­neh­men, Kon­zerte oder Lesungen mit und ohne Musik, Kinokirche, Workshops etc.

Die Sta­ti­o­nen in der Kirche werden regelmä­ßig bei der „Heil­samen Nacht“ durch ei­nen Kintsugi-Workshop und Live-Musik erweitert.

Geteilter Raum
Die Nutzung als „Kirche für Leib und Seele“ legt eine Gliederung mit Schwerpunkten nahe. Den Raum variabel teilende Schränke schaffen bedarfsgemäß caritativ oder spiri­tuell genutzte Bereiche. Der erhöhte Altar­raum bildet als „Raum für Heiliges“ ein sakrales Zentrum.

Alle neuen Möbel sind mobil und frei im Raum beweglich, so ist eine maximale Flexi­bilität bei der Gestaltung mög­lich: sowohl für Gottesdienste mit einer Handvoll Besucher*innen, als auch für Feiern an Hochfesten mit mehreren hundert Teil­neh­menden, ebenso wie für Lebens­mittel- und Warenausgaben.

Nachhaltig und verbindend
St. Karl ist in höchstem Maße ökologisch nachhaltig, denn durch die Verwertung von Second-Hand-Kleidung, vom Handel aus­sortierten Lebensmitteln und Waren aus Haushaltsauflösungen wird Müll ver­mieden und Brauchbares weiterverwendet.
Bei den Angeboten engagieren sich bereits motivierte Gäste, wodurch die Angebote eine sowohl stärkende, als auch sinn­gebende Hilfe zur Selbst­hilfe werden. Auf diese Weise verschwimmt zudem die Grenze zwischen Gebenden und Nehmen­den, zwischen sozialen Schichten und gesellschaftlichen Gruppen. Diese milieu­übergreifenden Gemeinschaft trägt das ge­mein­same Ziel: „Sich selbst und anderen Gutes tun“. So entsteht – ganz subsidiär – eine niedrig­schwellige und effektive Brücke zwischen unterschied­lich­sten Menschen, die eine dauerhaft selbst­stän­dige Lebens­führung stärkt: Das ist die soziale Nach­haltigkeit von St. Karl!

Eine vorkonziliare Messe in den 50ern
Bänke mit Platz für rund 300 Menschen bis 2022
Nach dem Abtransport der Bänke Ende Januar 2023

Im Stadtteil verwurzelt
Am 4. November 2023 wurde ein Förderverein für die Angebote in St. Karl gegründet, denn der wohl­tu­en­de Ort erfährt eine zu­neh­mende Akzeptanz und Unter­stützung in der Bevöl­ke­rung. Nahezu wö­chent­lich fragen Ehrenamtliche, wie sie sich enga­gie­ren können. Bereits vor der Gründung des Vereins gab es zahlreiche Anträge für eine Mit­glied­schaft, die mit 40 bzw. ermäßigt 20 Euro Jahresbeitrag für alle leicht möglich ist. Grün­dungs­mitglieder sind u.a. der 1. FC Köln, der Caritas­verband für die Stadt Köln, sowie die katholische Kirche.

Machen Sie doch auch einfach mit!

Das Umfeld der Kirche – Bevölkerung vor Ort

Die Verteilung von sozial starken Bevölkerungsschichten (grün) und der sozial schwächeren (orange)

In Köln gibt es über 150.000 Menschen, die einen Köln-Pass besitzen, in Sülz, Klettenberg und Lindenthal leben davon insgesamt über 4.000 (Stand 12/2022) sowie mehr als 2.000 SGBII-Leistungsberechtigte (Stand 12/2021). Der Köln-Pass wird sozial schwachen Menschen ausgestellt, also z.B. Empfänger*innen von Grundsicherung, Asylbewerber*innen und anderen Bezieher*innen staatlicher Transferleistungen. Der Pass wird als Berechtigungsnachweis u.a. für die meisten Lebensmittel- und Kleiderausgabestellen genutzt.

Nahe der Kirche St. Karl leben viele sozial schwächere Menschen. Schräg gegenüber der Kirche, an der Joseph-Stelzmann-Straße, Ecke Zülpicher Straße, befindet sich ein Haus für Geflüchtete, deren Familien nahezu komplett von den Ausgaben in St. Karl unterstützt werden. Nahe des Schillergymnasiums leben weitere Geflüchtete in Containerwohnungen.